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Online-Lernen kritisch hinterfragt...

Wir haben jetzt einen Monat lang Lehrlingsseminare, Ausbildertrainings, Lehrlingsnachhilfe und Lehrbetriebsberatung als reine web- und computerbasierte Trainings durchgeführt. Das macht aus unserer Sicht eine erste praxisnahe Analyse des vielgepriesenen Online-Lernens möglich und notwendig. Hier fließen auch viele Rückmeldungen von Lehrlingen und Lehrbetrieben ein.

Wer in diesen Zeiten Dinge kritisch hinterfragt, macht sich nicht besonders beliebt, scheint es. Ein sachlicher Diskurs ist offenbar in vielen Bereichen unerwünscht. Deshalb ist es wichtiger denn je, Ansichten und Einschätzungen zu kommunizieren und zu diskutieren, um auf einer breiteren Basis Entscheidungen für die Zukunft treffen zu können.

Zahlreichen Medienberichten kann man schon jetzt entnehmen, dass die Corona-Krise die einmalige Chance darstellt, um einen schnelleren Weg in Richtung Digitalisierung der Bildung einzuschlagen, und wie wunderbar alles weiterhin funktioniert.

Etwas ernüchternder stehen dieser öffentlichen Meinung unsere ersten Erkenntnisse aus der Praxis der Lehrlingsausbildung gegenüber:

ERKENNTNIS 1: Die technischen Voraussetzungen sind nicht flächendeckend gegeben und die sozialen Unterschiede vergrößern sich noch mehr.

Die Qualität der Ausbildung leidet durch Übertragungsprobleme aufgrund zu schwacher Internetverbindung, mangelnde technische Ausstattung der Teilnehmer oder Überlastung einzelner Plattformen. Wir haben kein einziges Mal mit allen Teilnehmern eine durchgehend stabile Bild- Tonübertragung erlebt und haben mit verschiedensten Tools (auch mit hochpreisigen Lösungen unserer Kunden) gearbeitet. Diejenigen, die aus einem Elternhaus kommen, in dem die Technik noch nicht so stark Einzug gehalten hat, oder das Pech haben in einer Gegend zu leben in der das Internet schwach ausgebaut ist, sind deutlich im Nachteil. Viele Lehrbetriebe können gerade jetzt nicht aufrüsten und jeden Lehrling mit teurer Technik ausstatten.

ERKENNTNIS 2: Der Eigenverantwortung beim Lernen kommt noch höhere Bedeutung zu. Personen, die nicht intrinsisch motiviert sind, werden gar nicht mehr erreicht.

Wer am Anfang keine Lust hat, sich gedanklich mit einer bestimmten Thematik zu beschäftigen, kann über Online-Trainings schwerer abgeholt, motiviert oder diszipliniert werden. Was ein Trainer methodisch, didaktisch und durch sein persönliches Auftreten zustande bringt, geht im virtuellen Unterricht verloren. Wir haben in 15 Jahren Arbeit die Erfahrung gemacht, dass viele Lehrlinge am Anfang keine Lust haben an einem Seminar oder einem Nachhilfeprogramm bei uns teilzunehmen. Sogar Lehrlingsausbildern geht es manchmal so. Sobald sie aber mit unseren INTELLEXI-Trainern persönlich arbeiten und abgeholt werden, steigt die Motivation und viele sind voller Vorfreude auf das nächste Zusammentreffen. Teilnehmer, die bereits persönlich mit uns gearbeitet haben, wirken auf uns motivierter als diejenigen, die uns bisher nur virtuell kennengelernt haben.

Wenn man bedenkt, dass bei reinen Online-Studiengängen die Abbruchquote bei ca. 75% liegt und alle Studenten freiwillig und in dem Fach, das sie am ehesten interessiert inskribieren, kann man schon einige Schlussfolgerungen für die Lehrlingsausbildung ableiten. Je geringer die intrinsische Motivation und persönliche Reife ausgeprägt sind, je kleiner die persönliche Auswahlmöglichkeit der Inhalte ist und je weniger die Frage, warum ein Thema zu lernen ist, von einem echten Vorbild persönlich beantwortet werden kann, desto geringer sind die Erfolgsaussichten bei dieser Art des Lernens.

ERKENNTNIS 3: Die Zeit für Organisation reduziert die tatsächliche Lernzeit drastisch. In Berufsschulen herrschen teilweise chaotische Zustände.

Nicht alle Berufsschulen und Lehrer sind gleich und es gibt auch tolle und hervorragende Beispiele. Unser generelles Urteil über diese Institutionen ist allerdings schon vor Corona nicht besonders positiv ausgefallen. Jetzt soll auch noch der digitale Wandel vollzogen werden. Ein Lehrer, der seine Schüler Overheadfolien (ja, das ist noch weit verbreitet) abschreiben lässt und dabei das Klassenzimmer verlässt, um selbst eine Zigarette zu rauchen, war vorher auch schon eher unnötig. Jetzt soll dieselbe Person auf einmal wirkungsvolles, digitales Lernen veranstalten. Die Kompetenzen der Lehrer scheinen oft schon für normalen Unterricht nicht auszureichen und diese Schwächen werden jetzt noch stärker sichtbar. Mangelnde IT-Kenntnisse und fehlende Methodenkompetenz führen teilweise zum Chaos. Es gibt zwar offiziell nur eine Kommunikationsplattform für Lehrer und Schüler (natürlich auch Berufsschüler) in Wahrheit müssen die Schüler aufgrund der mangelnden Abstimmung der Lehrer untereinander und aufgrund fehlender digitaler Strukturen mehrmals täglich bis zu acht verschiedene Systeme auf Botschaften und neue Aufgabenstellungen hin kontrollieren.

Der Umfang der Arbeitsaufträge wird von vielen Lehrern völlig falsch eingeschätzt und die Lehrer können sich nicht in die Situation zuhause hineinversetzen. Wenn beide Eltern im Homeoffice arbeiten, zwei Kinder beschult werden sollen und ein Drittes vielleicht noch ein Kleinkind ist, steigt der Organisationsaufwand enorm, außer man hat vier vollwertige Arbeitsplätze daheim und eine Babysitterin, die zufällig im selben Haushalt lebt.

Umgekehrt ist es für die Lehrer auch eine enorme Herausforderung auf Schüleranfragen adäquat zu reagieren. Arbeitsaufträge werden nicht verstanden oder Schüler sind, vielleicht manchmal sogar mit der Ausrede nicht funktionierender Technik, einfach gar nicht erreichbar. Das bedeutet für motivierte Lehrer ständig nach zu telefonieren, alternative Kommunikationswege (gegen die Vorgaben des Ministeriums) zu erarbeiten oder auch um 23:00 Uhr in der Nacht noch Anfragen zu beantworten. Was im normalen Unterricht mit einmal Aufzeigen, Frage und Antwort erledigt wurde, verursacht momentan einen fünfminütigen Chat oder eine mehrstufige E-Mailkonversation, die viel Zeit in Anspruch nimmt, verzögert ist und nicht für alle anderen Schüler wahrnehmbar ist bzw. registriert wird. Der Zeitaufwand für Bildungsmanagement steigt, die Zeit für echten Unterricht reduziert sich radikal. Die praktische Ausbildung wollen wir in diesem Zusammenhang gar nicht kommentieren, weil diese einfach nicht stattfinden kann.

FAZIT: Für die Lehrlingsausbildung ist die derzeitige Situation nicht tragbar und wir glauben, dass auch in Zukunft in diesem Bereich der persönliche Kontakt in der Ausbildung im Vordergrund stehen muss. Digitale Hilfsmittel können natürlich für die Wissensüberprüfung oder zur Vertiefung bestimmter Themen genutzt werden. Es ist auch möglich bestimmte Inhalte zu vermitteln, wenn die Lehrenden die entsprechende Methodenkompetenz haben und technische Hilfsmittel sinnvoll nützen. Wir nützen seit mehreren Jahren Online-Tools, um bestimmte Inhalte zu festigen oder zu vertiefen. Mehr als „Blended Learning“, also eine Kombination von Lernen im persönlichen Kontakt, unterstützt durch Online-Elemente im Verhältnis 80:20, ist in den meisten Lehrberufen aus unserer Sicht jedoch nicht zielführend.

Auch wenn die Digitalisierungsthematik oft im Vordergrund steht, darf nicht vergessen werden, dass wir eine inhaltliche und strukturelle Bildungsreform benötigen, die unsere Jugend zukunftsfähig macht.